Dorfbüttel spazierte auf historischem Boden

 Das Flecklein Erde, auf dem einst in Tennenbronn nur eine Kirche und ein paar Häuser standen, durchwanderte Dorfbüttel Ulrich Grießhaber mit einer Schar interessierter Gäste am vergangenen Sonntag, den 17. Juli. Vom Leben in der Kirchstraße und in der Löwenstraße vor etwa 100 Jahren wusste er viel Interessantes und Amüsantes zu berichten.

Nachdem 1917 das Gasthaus „Germania“ in der Hauptstraße für das Kloster Gengenbach ersteigert war, wurde es unter dem Namen “Josefshaus” zu einem Erholungsheim der Gengenbacher Franziskanerinnen umgebaut. Nachdem das Haus zeitweise mit über 20 Franziskanerinnen belegt war, verlies mit Schwester Bernharda 1999 die letzte Schwester das Josefshaus. Damit endete nach 111 Jahren eine höchst segensreiche Ära der Franziskanerinnen vom göttlichen Herzen Jesu aus Gengenbach in Tennenbronn.

Deutlich tiefergehende Informationen zur Entstehung der Krankenpflege gibt es von der evangelischen Pfarrgemeinde. So ist den Akten zu entnehmen, dass die evangelische Kirche -allerdings deutlich später-, ebenfalls bestrebt war, eine Diakonissenstation in der Gemeinde Evangelisch Tennenbronn aufzubauen. Ausgangspunkt hierfür war die Gründung eines evangelischen Frauenvereins 1921. Dieser hatte unter anderem den Aufbau einer Krankenstation und damit den Rahmen für die Fürsorge für Arme, Kranke und Alleinstehende zum Ziel. Selbst menschliche Schwierigkeiten zwischen Pfarrer und Schwestern, wie z.B. die überstürzte Abreise von Schwester Luise mitten in der Nacht, mit der sie einer Entlassung zuvor kam, sind in den Protokollen nachzulesen.

Nahezu  jedes Haus an der Strecke hat eine lange Geschichte. An der Einmündung der beiden Straßen in die Hauptstraße stehen die Traditionswirtshäuser Krone und Adler, Ende des 19. Jahrhunderts im Besitz zweier Brüderfamilien Haas. Die Brauerei des Adler übernahm nach dem Tod des Wirts sein Bruder in der Krone, wovon bis zum Abriss Ende 2021 noch der alte Anbau zeugte. Die „bürgerliche“ Krone war Schauplatz vieler großer Bauernhochzeiten, daneben gab es Tanz, Theater und Ausstellungen im Kronensaal. Im „gehobenen“ Adler stiegen gerne auch vornehme Gäste, wie die Herren von Fürstenberg, ab und es wurden Fremdenzimmer angepriesen.

 

Bei‘s „Matthese“, dem Kaufhaus von Matthäus Haas, gab es einst Fahrräder, Lebensmittel, Haushaltswaren, Bekleidung und anderes zu kaufen. Matthäus Haas besaß 1909 das erste Auto und die erste Tankstelle in Tennenbronn. Der Haldenmetzger, der so nicht genannt werden wollte, belegte die vierte Ecke der Kreuzung. Er stammte von der Halde und hieß Fridolin Broghammer. „Da gibt es die Metzgerei Bader, die Metzgerei Kienzler und die Metzgerei Broghammer. Aber einen Haldenmetzger kenne ich nicht“, entgegnete er einem auswärtigen Bauern.

 

Weiter ging es zum Haus des ehemaligen Mühlenbauers Brüstle, das auch einmal eine Eisen- und Gemischtwarenhandlung war. Im traditionsreichen Gasthaus Linde war früher noch eine Feinbäckerei beheimatet, „Allmendbeck“ genannt. Der Dorfbüttel erinnerte sich, dass es dort das erste leckere Eis in Tennenbronn zu kaufen gab. Von der evangelischen Kirche wusste er zu erzählen, dass sich zwei Gemeinderäte vor Gericht stritten, wer beim Gottesdienst neben dem Bürgermeister sitzen durfte, der älteste oder der dienstälteste Gemeinderat. Es wurde zu Gunsten des Dienstältesten entschieden und der Unterlegene musste die Kosten im Wert von zwei Ochsen tragen.

 

Laut Eintrag im Grundbuch von Evangelisch Tennenbronn kaufte 1831 Joseph Maurer, lediger Hafner aus Schramberg, vom Löwenwirt ein halbes Haus und eine Wiese auf der „Allmand“. Ein katholischer Schramberger mitten im „Evangelischen“! Sein Hafnerbetrieb etablierte sich und ist bis heute in Familienhand. Nach dem Zusammenschluss von Evangelisch und Katholisch Tennenbronn sorgte die Familie jedoch für Missmut, als sie für die Fronleichnams-Prozession einen Hausaltar aufstellte.

 

In der Nachbarschaft arbeitete der Wagner Josef Zehnder, aus dessen Werkstatt die bedeutende Antennenfabrik seines Sohnes Heinrich Zehnder hervorging. Das Malergeschäft Langenbacher, der Omnibusbetrieb Müller-Fichter mit Tankstelle und das Spritzenhäusle der Feuerwehr standen am Ausgang der Kirchstraße. Letzteres diente auch als Arrestzelle für Strolche und Ruhestörer.

 

Dass die „alte Kirchstraße“ vor dem Dorfbrand hinter den Gasthäusern Linde und Adler und dem Haus des „Schmiedpaul“ Andreatta verlief, war nur wenigen Gästen bewusst. Beim Durchgang durch das schmale Gässchen konnte man noch ein wenig von der alten Bausubstanz wahrnehmen.

 

In der Löwenstraße angekommen berichtete der Dorfbüttel von zahlreichen Handwerkern, wie Schuhmacher, Schmied, Wagner, Schreiner, Zimmermann und Maler, die dort auf engstem Raum nebeneinander arbeiteten. In der Enge blieben Reibereien nicht aus und man „schnauzte sich an“, was zum inoffiziellen Namen „Schnauze“ führte. Weiter gab es dort eine Metzgerei Bader, den Obstgroßhändler Ketterer, das Kolonialwarengeschäft Breithaupt und das Friseur- und Fotogeschäft Martin. Unten neben der Krone lebte der Milchmann Roth, der mit seinem Pferd Lotte die Milch der Bauern zur Milchzentrale nach ­Schramberg brachte und nebenher auch Besorgungen aus der Apotheke oder vom Bahnhof erledigte. Ihm gegenüber wohnte der Gemeinderechner August Haigis. Als einen seiner Vorgänger als Ortsbüttel konnte Ulrich Grießhaber dessen Sohn August Haigis jun. vorstellen.

 

Der Spaziergang durch die „Schnauze“ endete beim Gasthaus Löwen. Das über 800 Jahre bestehende „Stabswirtshaus“ umfasste vor 100 Jahren mit den größten Grundbesitz in Tennenbronn. Eine große Landwirtschaft mit Knechten und Mägden, Brunnenrechte, Backhaus, Mühle und Sägewerk gehörten dazu.

 

Mit viel Beifall dankten die Mitwanderer dem „Dorfbüttel“ Ulrich Grießhaber für seine Recherchen und Erzählungen. Eine Wiederholung seiner beiden Spaziergänge durch das „alte Tennenbronn“ ist im September dieses Jahres angedacht.