Im Jahr 2003 hatte die damals noch selbständige Gemeinde Tennenbronn bei einer Gesamtbevölkerung von 3826 Personen 50.2 Prozent männliche und 49.8 Prozent weibliche Einwohner, wie ich bei einer kurzen Recherche zum Anteil von Männern und Frauen in Tennenbronn feststellen konnte. Seitdem sind schon wieder einige Jahre ins Land gegangen – unter anderem hat 2006 die Eingemeindung in die Große Kreisstadt Schramberg stattgefunden – im Großen und Ganzen dürfte es aber zwischen dem Fifty-Fifty-Verhältnis zwischen Männern und Frauen in Tennenbronn geblieben sein, auch wenn die Bevölkerungszahl in den letzten Jahren leicht rückläufig ist.

Fifty-Fifty zwischen Männern und Frauen, das hört sich auf den ersten Blick nach völliger Gleichgewichtigkeit an. Gilt das auch für die Heimatgeschichte? Gibt es auch da in Tennenbronn ein Fifty-Fifty zwischen Männern und Frauen oder braucht das Tennenbronner Heimathaus dringend eine Frauenquote, die in unserer Gesellschaft seit Ende der 1970er-Jahre auf unterschiedlichen Ebenen immer wieder gefordert und zum Teil auch durchgesetzt wird, um die grundgesetzliche Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu verwirklichen?

Bei einer Durchsicht der bisherigen Darstellungen zur Geschichte von Tennenbronn kann man in der Tat zu dem Schluss kommen, dass wir in der Heimatgeschichte eine Frauenquote brauchen. Aus den beiden zur 800-Jahr-Feier erschienenen Heimatbüchern ist nur wenig über die Geschichte der Frauen in Tennenbronn in Erfahrung zu bringen. Einige wenige Frauen werden namentlich erwähnt. Auf ihre Biographien wird jedoch nicht näher eingegangen. Als Personen, die Geschichte machten, begegnen uns meistens Männer, die ja bis weit in das 20. Jahrhundert hinein auch die Gemeindeverwaltung und Kommunalpolitik beherrschten.

Ganz fehlen die Frauen in den Darstellungen der Heimatgeschichte aber doch nicht, da sie doch recht oft auf den faszinierenden Fotos von Heinrich Martin zu sehen sind, der ganz offensichtlich gerade auch von Frauen gerne Porträtfotos gemacht hat. Diese Fotos gehören zu den eindrucksvollsten Bildern von Menschen, die wir aus Tennenbronn kennen, wenn ich etwa an das Foto der Kirchenblattausträgerin Salomea Rieger, das Foto der Sommermoosbäuerin Lidia Langenbacher oder an das Foto der „Bärenwald-Theres“ als Strohflechterin denke. Auf den Fotos aus dem frühen 20. Jahrhundert sehen wir die Frauen aus Tennenbronn aber vor allem in ihren schmucken Trachten, in denen sie für die ersten Fotografen zu attraktiven Motiven wurden. Mit diesen Fotos prägten sie auch das Bild von Tennenbronn nach außen und wurden auch bald zu einem wichtigen Werbeträger für den beginnenden Fremdenverkehr.

Obwohl wir also in den Heimatbüchern durchaus viele Fotos von Frauen sehen können, bleiben ihre Biographien aber doch weitgehend im Dunkeln. Das liegt sicherlich an einem über lange Zeit vorwiegend von Männern geprägten Geschichtsbild. Der klassische Heimatforscher und Lokalhistoriker war meistens Lehrer oder Pfarrer und eben ein Mann. Selbst Esther und Erwin Haas, die sich zeitlebens unermüdlich für die Erforschung und Erhaltung der historisch-kulturellen Überlieferung ihres Heimatortes eingesetzt haben, hatten in ihrem Engagement eine auffällige Arbeitsteilung, in der Erwin Haas den Part des Heimatforschers und Esther Haas den Part der Heimatdichterin übernahm. Gerne würde man auch einmal sehen, dass in Tennenbronn auch nicht nur immer die Männer zur Feder greifen, um ihre Lebenserinnerungen zu Papier zu bringen, wie es Matthias Klausmann und German Moosmann bereits getan haben. Heimatgeschichte ist selbstverständlich nicht nur „Männersache“, sondern ebenso „Frauensache“.

Es ist deshalb sehr erfreulich, dass sich mit Sabine Grimmig-Haga und Maria Fleig in der „Projektgruppe Tennenbronner Heimathaus“ zwei engagierte Frauen gefunden haben, die mit der heutigen Ausstellung damit beginnen, auch den Frauen ihren verdienten Platz in der Heimatgeschichte einzuräumen. In der ziemlich männerlastigen Projektgruppe bringen die beiden Ausstellungsmacherinnen einen spezifisch weiblichen Blick auf die Heimatgeschichte ein. Würde die Projektgruppe nur aus Männern bestehen, hätten wir vermutlich auf einen Beitrag zur Geschichte der Frauen in Tennenbronn noch lange warten müssen. Die „Frauenquote“ darf daher im „Tennenbronner Heimathaus“ durchaus noch höher werden, würden sich Sabine Grimmig-Haga und Maria Fleig doch sicher über weitere Mitarbeiterinnen freuen.

Das Engagement, mit dem die beiden Ausstellungsmacherinnen sich an die Arbeit machten, hat mich sehr beeindruckt, so dass das Stadtarchiv Schramberg das Projekt auch sehr gerne unterstützt hat. Es macht große Freude zu sehen, wie durch solche Projekte eine ganze Menge in Bewegung kommt, Gespräche mit Zeitzeugen geführt werden, neue Quellen bekannt werden und bisher unbekannte Zeugnisse der Vergangenheit zum Vorschein kommen. Neben dem Kompliment an die beiden Ausstellungsmacherinnen ist aber auch einmal mehr ein Dank an Alfred Kunz auszusprechen, der durch seine intensive Beschäftigung mit den Amtsprotokollen der Herrschaft Schramberg viele interessante Frauengeschichten aus Tennenbronn zutage gefördert hat. Seine wertvolle Grundlagenarbeit ist für das „Tennenbronner Heimathaus“ ein wichtiges Fundament.

Eimmal mehr zeigt das „Tennenbronner Heimathaus“ damit, dass es nach seiner Einweihung vor einem Jahr zu einem interessanten und lebendigen Ort der Begegnung mit der Ortsgeschichte geworden ist. Dass es dabei auch neue Ansätze wie heute zur Frauengeschichte gibt, ist besonders erfreulich. Ich bin sicher, dass auch diese Ausstellung wieder ein großer Erfolg wird und freue mich auf die Zusammenarbeit bei weiteren Projekten.