Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal unserer Trachten ist die Kopfbedeckung der Frauen. Anhand von Hut, Käppchen, Haube oder des Schäppels kann man oftmals auf die Herkunft der Trachtenträgerin schließen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Rosenhut der St. Georgener Tracht. Die Anfänge und Entstehung dieses Hutes liegen mehr als 225 Jahre zurück.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war die Bevölkerung soweit angewachsen, dass es neben einigen wohlhabenden Bauern eine große Gruppe an verarmten Tagelöhnern gab. Der Triberger Obervogt Huber hat versucht, in seinem Vorderösterreichischen Verwaltungsbezirk diesen Missstand durch eine „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ zu beenden. Die Menschen sollten sich durch Strohflechten ein Zubrot verdienen können. Aus Strohbändern, die in Heimarbeit von Frauen und Kindern geflochten wurden, wurden Taschen und Hüte für den „Export“ in die Städte hergestellt. Das erforderte feines und qualitativ hochwertiges Flechtwerk, dessen Herstellung erst erlernt werden musste. Dazu wurden auch Flechtlehrer aus der Toskana angestellt.
Das Flechten war in Triberg so erfolgreich, dass man sich überlegte, im württembergischen Oberamt Hornberg ebenfalls die Herstellung von Strohhüten einzuführen. Zu dieser Verwaltungseinheit gehörten neben Hornberg auch Gutach, Schiltach, St. Georgen und der evangelische Teil von Tennenbronn. 1797 erteilte dazu Herzog Friedrich Eugen von Württemberg die Genehmigung unter der Voraussetzung, die „übliche Decoration von schwarzer und roter Farbe aufzutragen“. Aufgrund dieses Schreibens gilt das Jahr 1797 als Geburtsstunde von Bollenhut, Rosenhut und dem Hut der Lehengerichter Tracht. In Flechtschulen lernten Mädchen und Frauen Geflechte aus bis zu 17 Halmen herzustellen. Eine gute Flechterin konnte an einem Tag ein Band mit 30 Metern Länge flechten. Diese Bänder wurden dann in Manufakturen zu Strohhüten zusammengenäht und über heißem Dampf in die passende Form gebracht.
Die Rohlinge wurden dann mit Schlämmkeide oder gar Gips weiterbearbeitet, damit sie eine weiße und glatte Oberfläche erhielten, auf der man gut malen konnte. Wie die Bemalungen aussahen, kann heute nur spekuliert werden. Es kann durchaus sein, dass ähnliche Muster wie auf den Uhrenschildern auch auf die Hüte gemalt wurden und später diese gemalten Rosen durch Wollrosen ersetzt wurden. In der Anordnung der Rosen ist außerdem die Kreuzform als christliches Symbol zu erkennen. Die schneckenförmigen Verzierungen auf dem Gupf stellen Lilien als Symbol für Glaube und Liebe dar. Die Schnecken auf der Hutkrempe erinnern an alte alemannische Verzierungen. Sie wurden früher aus feinem schwarzgefärbtem Geflecht hergestellt. Zum Schluss werden dann vier Wollrosen am Hut befestigt. Ledige Mädchen tragen rote Rosen. Nach der Hochzeit werden diese dann gegen schwarze Rosen ausgetauscht.
Man sieht, es steckt eine ganze Menge Symbolik im Rosenhut. Auch die Anordnung der Woll-Pompoms am Bollenhut und die Verzierungen am Hut aus Lehengericht erfolgen nach einem festen Muster. Alle Hüte hatten vor 225 Jahren den gleichen Ursprung, und trotzdem entstanden drei komplett unterschiedliche Trachten auf engstem Raum im damaligen württembergischen Oberamt Hornberg. Die Strohzylinder der Vorderösterreichischen Nachbarn entstanden sicherlich im gleichen Zeitraum. Ist es ein Zeichen der Kreativität der Menschen? Wurde in den einzelnen Orten für unterschiedliche Märkte produziert? Lag es an der fehlenden Mobilität der Menschen, die notgedrungen ihr eigenes Süppchen kochten? Oder wollte man sich vom Nachbarn unterscheiden oder ihn gar übertrumpfen?
Vermutlich werden wir das nie abschließend klären. Aber gerade im mittleren Schwarzwald schlummert in den Volkstrachten ein sehr wertvolles kulturelles Erbe, auf das wir stolz sein dürfen und das wir unbedingt erhalten müssen.
Die Projektgruppe Tennenbronner Heimathaus hat Thementage 03. April, am Ostermontag, und am 1.Mai zu diesem Jubiläum organisiert. Das Heimathaus ist von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet. Schwarzwald-Guide Martin Grießhaber bietet jeweils um 15:00 Uhr eine Führung an. Heimathaus Tennenbronn – Martin Grießhaber