Tief in die Geschichte ein tauchte Alfred Kunz bei seinem Vortrag „Beim Merzensteg und drum herum“ am vergangenen Mittwoch, den 19. Oktober im katholischen Pfarrsaal in Tennenbronn. Das Geheimnis dieses legendären Steges wurde den zahlreich erschienenen Zuhörern gelüftet: Es handelte sich um eine Furt, durch die auf der Höhe des Bachbauernhofes die Wegverbindung von Tennenbronn in Richtung Rottweil führte. Das „Merzengut“ überspannte vor dem Dreißigjährigen Krieg das weite Gebiet beidseitig des Tales von der Haldenhöhe bis zur Mulpenhöhe an die Grenze zu Buchenberg.
Die ältesten Spuren menschlicher Anwesenheit in dieser Gegend sind römische Goldmünzen, die 1856 unterhalb des Ramsteiner Schlösslefelsens gefunden wurden. Schon konkretere Nachweise über die frühen Besitzverhältnisse zog Alfred Kunz aus dem Berain des Klosters St. Georgen aus dem 13. Jahrhundert, dem Urbar des Rochus Merz von 1547 und dem Hornberger Lagerbuch von 1591. In Letzterem gibt es eine Liste aller Höfe der Verwaltungsämter Hornberg und Schramberg – in der Unterschiltach hießen sie Wismannslehen, Merzengut, Hippachsgut und Luckbachgut. Natürlich war es interessant herauszufinden, um welche heutigen Anwesen es sich bei Höfen handelt und Alfred Kunz konnte die Abspaltungen und Auftrennungen bis heute nachvollziehen.
Die Aufteilung Tennenbronns in drei Stäbe mit im Zuge der Reformation zwei unterschiedlichen Konfessionen führte in Unterschiltach zu konfusen Grenzverläufen. Auf ehemals katholischem Gebiet des Schramberger Stabes finden wir den Höldhof, die Langenberghöfe, den Strickerhof, das heutige Hofgut Altenburg, den Josenhof und den Kalkhof. Württembergisch evangelisch waren der Haldenhof, Bachwirtschaft und Bachmühle, der Schliefenbühl, Mulpenhof, Mathisjockelshof, Brüstlehof und die Höfe am Mittelberg. Dazu kamen noch die „Besonderheiten“: Beispielsweise der Hänslisstoffel-Hof, der zwar auch evangelisch war, jedoch zum Klosteramt St. Georgen gehörte und erst beim Höhetausch von 1836 Evangelisch Tennenbronn zugeschlagen wurde. Oder das kleine Gut des Löchle-Hofes, das sich als schmales Band vom Unterschiltacher Bächle bis hinauf aufs Eckle zog. Es gehörte zum Amt Schramberg und blieb eine katholische Enklave, als alle Nachbar drum herum evangelisch geworden waren. Das „Eckle“, ein nur zu Fuß zu erreichendes idyllisches Fleckchen oben auf dem Mittelberg, hatte in alten Dokumenten noch eine überregionale Bedeutung. Hier stießen vier große Höfe zusammen, die zu unterschiedlichen Herrschaften gehörten.
Es geht gar nicht anders, wenn man über die Unterschiltach spricht, muss man über die Familie Fichter reden, stellte Alfred Kunz fest. Speziell im 18. und 19.Jahrhundert war die Fichter-Sippe tonangebend, Angehörige dieser Familie fanden sich in allen württembergischen Höfen der Region. Es scheint, dass die Fichters ursprünglich aus der Region Lauterbach stammen, wo es schon im 15. Jahrhundert Belege dafür gibt. Nach dem 30 jährigen Krieg kamen sie über die Dieringsreut, Trombach und den Remsbachhof in die Unterschiltach. Das Hornberger Lagerbuch 1591 nennt als ersten Fichter in der Unterschiltach einen Georg Fichter. Er war Inhaber des Hippachguts (in etwa der spätere Mathisjockelshof). Auf dem Bachhof mit Mühle und Wirtschaft sind die Fichters seit 1721 anzutreffen. Dort gibt es mehrmals hintereinander Fichter mit dem Namen Andreas und dem Namen Simon. Wie es auch in anderen Familien jener Zeit üblich war, erhielt der Nachwuchs wieder den Namen von Vorfahren. Das führte dazu, dass mehrmals hintereinander und auch gleichzeitig Personen mit dem gleichen Namen lebten.
Auch „menschliche“ Histörchen sind erhalten geblieben und würzten die nackten Fakten: So erzählte Alfred Kunz aus dem Protokoll des Amtsgerichts Oberndorf, wie die Bachwirtsbrüder Georg und Simon Fichter beim Wildern erwischt und zu einer Arbeitshaus-Strafe von 1 Jahr verurteilt wurden. Oder dass der „Pfarrludwig“, ein Bruder des katholischen Pfarrers Mayer, wegen seines skandalösen Lebensstils aus dem Pfarrhaus in den hintersten Winkel des Unterschiltach-Tales, das „Katzenloch“, verbannt wurde. Die letzten einheimischen Bewohner dort war ein als „Katzenmaa“ und „Katzenwieble“ bekanntes kinderloses Ehepaar. Das Katzenwieble war als Original in der ganzen Umgebung bekannt. Sie war total schwerhörig, machte sich aber regelmäßig mit ihrem Handwägele auf den Weg nach St. Georgen, um auf dem dortigen Markt ihren Ziegenkäse zu verkaufen. Das Publikum dankte dem Referenten mit anhaltendem Beifall für seinen informativen und lehrreichen, aber trotzdem kurzweiligen Vortrag, der mit vielen Aha-Erlebnissen gespickt war und allen viel Spaß machte.
Der Vortrag ist auf DVD für den persönlichen Gebrauch über die Projektgruppe Heimathaus erhältlich.