Der letzte Vortrag 2023 des Tennenbronner Heimathauses am 22. November hätte etwas mehr Besucher verdient, zumal unsere Demokratie auch heute wieder vielfältigen Angriffen ausgesetzt ist. Der Schramberger Stadtarchivar Carsten Kohlmann schilderte vor gut vierzig Gästen, wie vor 175 Jahren badische Bürger für die Einhaltung der von der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt beschlossenen freiheitlichen Grundrechte kämpften und wie die Revolution mit brutaler Gewalt niedergeschlagen wurde. Den lokalen Bezug schaffte dabei die bislang weitgehend unbekannte Geschichte des Lehrers Karl Falk.
Von 1838 bis 1849 war Karl Falk Hauptlehrer der Volksschule in Katholisch Tennenbronn. Als er nach Tennenbronn kam war gerade ein neuer Bürgermeister gewählt und auch ein neuer Ratschreiber bestellt worden. Da beide in den vorkommenden Schreibarbeiten wenig geübt waren, baten sie ihn oft um seine Unterstützung. Karl Falk verfasste auch die Urkunde, die bei der Grundsteinlegung der alten katholischen Kirche 1847 eingemauert und erst beim Abriss 1969 wieder entdeckt wurde.
Karl Falk war in Griesheim bei Offenburg geboren und gerade 21 Jahre alt, als er seine Stelle in Tennenbronn antrat. Er verheiratete sich mit Anna Maria Neininger aus Nußbach bei Triberg und die Ehe wurde von 1839 bis 1848 mit acht Kindern gesegnet. Dass die beiden Bürgermeister dieser Zeit und andere Tennenbronner Geschäftsleute die Patenschaften übernahmen, zeigt von einer guten sozialen Integration der Familie Falk in Tennenbronn.
Meinungs- und Pressefreiheit war eine der wichtigsten Forderungen der gegen die Fürstenherrschaft kämpfenden Bürger. Als einer der damals wenigen Zeitungsbezieher las Karl Falk seinen Mitbürgern bei Zusammenkünften in Gasthäusern daraus vor, darunter die beschlossenen freiheitlichen Grundrechte. Referent Carsten Kohlmann band hierfür die Zuhörer in den Vortrag ein und ließ sie die Artikel, die noch heute die Basis unserer Verfassung bilden, selbst vorlesen.
Im Frühjahr 1848 war es im Deutschen Bund zu mehreren revolutionären Bewegungen gekommen. Das Großherzogtum Baden war mit drei Aufstandsversuchen zur Einführung einer Republik ein herausragendes Zentrum. Im Mai 1849 fand in Offenburg ein Landeskongress der Aufständischen mit 30.000 Teilnehmern statt und stellte ihre zentralen Forderungen auf, wie Rücktritt der Regierung, Auflösung des Landtages, Freilassung politisch Gefangener. Die Regierung in Karlsruhe lehnte das kompromisslos ab, konnte sich aber dem Druck nicht mehr entziehen und Großherzog Leopold I. floh aus seinem Land.
Die Macht wurde von „Volksvereinen“ übernommen und die Wahl zur Landesversammlung am 3. Juni 1849 war die erste wirklich freie Abstimmung. Im Bezirksamt Hornberg, zu dem die beiden Gemeinden Evangelisch und Katholisch Tennenbronn gehörten, war Karl Falk der Protokollführer und warb auch aktiv für die bürgerlichen Kandidaten. Für die neu mobilisierte Volkswehr bildete er in Tennenbronn den Trommler aus, setzte sich für die Bewaffnung ein und motivierte die Männer, „recht tapfer und muthig zu sein“.
Das preußische Militär rückte indessen nach Südwesten vor und erklärte für Baden den Kriegszustand. Das Revolutionsheer erlitt schwere Niederlagen, löste sich auf und die nach Freiburg geflohene Regierung ergab sich dem Gegner. Am 23. Juli 1849 endete die badische Revolution mit der Kapitulation der Festung Rastatt. Unter preußischem Regiment wurde gegen die am Aufstand beteiligten Bürger vorgegangen. Karl Falk befand sich wie viele Revolutionäre auf der Flucht in die Schweiz. Er wurde seines Dienstes als Hauptlehrer in Tennenbronn entbunden, sein Gehalt gestrichen und sein Vermögen beschlagnahmt. Nach seiner Rückkehr im Oktober 1849 wurde Karl Falk verhaftet, kam gegen Kaution nach einem Monat vorerst wieder frei und zog mit der mittellosen Familie zurück an seinen Geburtsort Griesheim. Im März 1850 verurteilte ihn das Badische Hofgericht wegen Hochverrats zu zwei Jahren Arbeits- und Zuchthausstrafe, die er im Männergefängnis in Bruchsal antreten musste. Mehrere Gesuche seiner verarmten Ehefrau mit ihren unmündigen Kindern hatten mit der Begnadigung zu Weihnachten 1851 Erfolg.
Das weitere Leben von Karl Falk bleibt weitgehend im Dunkel. Der Schuldienst war ihm verwehrt. Überraschend kam ein Fund im Taufregister von Aichhalden, wo die Geburt und der baldige Tod einer weiteren Tochter verzeichnet ist. Als Beruf des Vaters wird „Fabrikarbeiter“ angegeben. Eine Spur seiner Familie führt nach Albstadt-Lautlingen, wo sich ein Sohn 1865 verheiratete. Karl Falk war aber nach dem Eintrag im Eheregister zu diesem Zeitpunkt schon verstorben.
Am Ende rief Carsten Kohlmann die anwesenden „Bürger“ noch zu einer geheimen Abstimmung auf: Soll die Tennenbronner Grundschule zukünftig den Namen „Karl-Falk-Schule“ erhalten? Nach seinem beeindruckenden Vortrag war das Votum mit über 70 Prozent Ja-Stimmen nicht überraschend.