Ihre Emotionen und Gefühle drücken Menschen seit jeher in Liedern aus: Freude und Leid, Frohsinn und Trauer, Liebe und Wut, Hoffnung und Verzweiflung und vieles mehr. So wird es vielleicht am Ende einer Chronik stehen, wenn der katholische Kirchenchor Tennenbronn im Jahr 2025 auf sein 150-jähriges Bestehen zurückblicken wird.
1950 feierte der katholische Kirchenchor Tennenbronn sein 75-jähriges Bestehen. Der damalige Chronist Augustin Günter beruft sich bei der Entstehung seines Berichtes auf alte Sänger/innen. Er kam dabei zurück bis zum Jahr 1875, wo ein kleiner Chor unter der Leitung von Lehrer Frey bestanden hat. Den Erzählungen nach habe die kleine Schar „tadellos gesungen, auch vierstimmige lateinische Messen“. 1888 übernahm Herr Karl Eiermann den Organistendienst und den Kirchenchor. Da aber in jenen Jahren fast nichts an Notenmaterial beigeschafft wurde, war auch kein großer Aufstieg zu verzeichnen.
Im Jahre 1899 wurde die hiesige Pfarrstelle mit Herrn Pfarrer Mayer besetzt, einem großen Freund und Gönner des Kirchengesanges. Er scheute keine Arbeit und Mühen, den Kirchenchor auf höchste Touren zu bringen. Alles was aufgebracht werden konnte, wurde dem Chor zugeführt. Organist und Dirigent war Lehrer Zimmermann, aber das Proben und Einüben übernahm der Pfarrer selbst. Pfarrer Mayer verehrte den Regensburger Kirchenmusiker Michael Haller und bezahlte das teure Notenmaterial vielfach aus eigener Tasche. Als er 1906 aus Tennenbronn abberufen wurde, hinterließ er einen starken und gut geschulten Kirchenchor und einen großen Noten-Nachlass.
Lehrer Zimmermann war noch bis 1908 Chorleiter und nach seinem Scheiden von hier folgten etliche Wechsel: Erst kam Lehrer Karl Eiermann jeden Sonntag per Rad aus dem Kreis Wolfach nach Tennenbronn gefahren. Nach ihm übernahmen die Lehrer Eck, Haberstroh und Eckhart bis zum 1. Weltkrieg. Der größte Teil der Männer wurde nun zum Heeresdienst einberufen und es gab Stillstand im Chor. Lehrer Hippler schleifte ihn über die schwere Zeit hinweg, in der meist die Frauen die Stellung hielten. Die Hallermesse für drei Frauenstimmen, welche noch von Pfarrer Mayer eingeübt wurde, tat dabei gute Dienste.
Ende 1918 übernahm Lehrer Emil Faigle mit großer Schaffenskraft den Chor. Seine erste Aufgabe war es, den Chor wieder zu verstärken. Jeden Sonntag nach dem Gottesdienst hielt Faigle in seiner Wohnung Einzelproben mit den Männern ab, auch mit den jungen Mädchen wurde viel nebenher geprobt. 1919 über Weihnachten erhielt der Chor eine neue Orgel, Lehrer Eiermann wurde als Organist bestellt, Orgelmessen beschafft und durchgeprobt. Zum ersten Mal seit Bestehen des Kirchenchores wurden 4-stimmige Orgelmessen zu Gehör gebracht. Auch Blasinstrumente aus einer Abteilung des Musikvereins kamen dazu. An einem schönen Herbsttage 1925 hieß es, Lehrer Faigle ist versetzt und geht demnächst fort. Herr Albert Eiermann übernahm nun Leitung. Er war ein ausgezeichneter Dirigent und dennoch trat eine Krise ein. Viele von den älteren Sängern blieben dem Chor fern und immer kleiner wurde die Zahl der Männer – am Ende noch drei Tenöre und drei Bässe. Herr Eiermann holte sich Verstärkung aus dem Männergesangverein und baute den Chor wieder frisch auf. Er schlug auch in der Auswahl seiner Komponisten eine neue Richtung ein. Bei einer Bezirks-Cäcilienfeier in Villingen lobte der Diözesanpräses Geistlicher Rat Kling die Leistung des Chores ebenso hoch wie der gebürtige Tennenbronner Stadtpfarrer Paul Fleig bei einem Auftritt in dessen Gemeinde in Karlsruhe-Beiertheim.
Im Herbst 1929 wurde als Nachfolger von Albert Eiermann Lehrer Schächtele Chorleiter. Er war aber ein Mann, dessen Musikkenntnisse aber nicht an die des Vorgängers heranreichten. Dafür konnte er auf einen funktionierenden Chor zurückgreifen und arbeitete sich im Laufe der Zeit gut ein. Die Nationalsozialisten machten ihm das Dirigentenamt zunehmend schwer – ein Staatsbeamter sollte keine kirchlichen Ämter mehr inne haben. Um nicht brotlos zu werden, gab Herr Schächtele 1939 seinen Dienst als Chorleiter an Frau Erna Fleig, geborene Eiermann, weiter.
Eine Frau als Kirchenchor-Dirigentin hatte es noch nie gegeben. Erna Fleig arbeitete nach dem Schema ihres Onkels Lehrer Eiermann, bei dem sie ihr musikalisches Können erlernte, weiter. Ihre Aufgabe nahm sie sehr genau und war Organistin und Dirigentin zugleich. In den Proben hieß es “ zählen, zählen, Takt und Rhythmus halten, sonst kommt ihr nicht durch„. Viele Sänger und Sängerinnen machten manches mal eine Faust in der Tasche, denn „man könnte ein Stück auch in etwas kürzerer Zeit zur Aufführung bringen…“. Bald begann der 2. Weltkrieg. Die meisten Männer wurden eingezogen und mit dem Chor war nur noch begrenzt etwas anzufangen. Es dauerte bis nach 1947, bis die letzten Kriegsgefangenen heimkehrten. Mit der Werbung von Jungmännern und Mädchenstimmen brachte Erna Fleig den Kirchenchor wieder auf seinen großen Bestand und studierte neue Werke ein. Lateinische und deutsche Messen, Grabgesänge, Marienlieder, Fronleichnam- und Öschprozessions-Chöre und noch vieles mehr gehörten zum großen Schatz, den der Kirchenchor in den ersten 75 Jahren seines Bestehens in unermüdlichem Fleiß unter teils schwierigsten Bedingungen angehäuft hatte.
Auf Betreiben von Pfarrer Borsbach wurde im Jubiläumsjahr 1950 ein „Cäcilienverein“ in der Pfarrei gegründet. Diesen Chorverband der katholischen Kirche gab es schon seit Jahrzehnten, aber die Tennenbronner Pfarrer interessierten sich offenbar nicht dafür. Mit rund 60 Mitgliedern, an der Spitze Pfarrer Borsbach, zog der katholische Kirchenchor in den neu gegründeten Verein ein. Erna Fleig blieb 30 Jahre lang bis 1969 die Leiterin des Kirchenchores.
Auch wenn das schon rekordverdächtig aussah, so wurde sie von ihrem Nachfolger, Musiklehrer Walter Haas, noch übertroffen. Er behielt den Dirigentenstab 34 Jahre lang, ehe dieser 2003 an seine Tochter Ute Haas-Woelke weiter ging. Die Leistung des Chores erreichte im zweiten Geschichtsabschnitt eine höchste Perfektion. Zusammen mit dem Orchester Schmid kamen an hohen Feiertagen oder am Patrozinium Orchestermessen zur Aufführung, die in den letzten Jahren mehrfach durch Bläserensembles des Musikvereins „Frohsinn“ und Solisten wie Hildegard Fendt und Claudia Habermann ergänzt wurden. Verschiedene Advents- und Abendgottesdienste kamen zur Aufführung. Auch wirkte der Chor beim Seezauber unter Leitung des Dirigenten Meinrad Löffler und einer Akzenteveranstaltung des Musikvereins Frohsinn mit. Gesungen wurden hierbei Opern- und Operettenmelodien und sogar ein afrikanisches Lied. Dabei unterstützte zusätzlich der Lauterbacher Kirchenchor, der bis heute von Ute Haas-Woelke geleitet wird, die Sängerinnen und Sänger.
Die Fröhlichkeit kam ebenfalls nicht zu kurz. Gesellige Abende fanden ihren festen Platz im Jahresplan. Auch verschiedenste Ausflüge wurden durchgeführt. Schon in einem Bericht von 1920 konnte entnommen werden, dass sich der Chor nach Unterkirnach aufmachte, um den ehemaligen Pfarrer zu besuchen und den Gottesdienst mit einer „vierstimmigen Messe“ zu umrahmen. Nachmittags war dann Geselligkeit angesagt, bevor der Chor sich zu Fuß wieder auf den Heimweg machte. In den letzten Jahren fanden Ausflüge unter anderem nach Ungarn in die Heimat des ehemaligen Pfarrers Josef Beke, mit Pater Johannes in die Toskana und Cinque Terre, oder nach Südtirol statt. Der kath. Kirchenchor besteht momentan aus ca. 40 Sängerinnen und Sängern. Ute Haas-Woelke beendete 2020 ihre langjährige, erfolgreiche Tätigkeit als Dirigentin und der Chor hofft, dass die Nachfolge bald geklärt werden kann und vor allem, dass die „stille Messe“ in den Kirchen bald vorbei und das Singen wieder erlaubt ist.
– Heimathaus Tennenbronn von Alfred Moosmann –