Wer am vergangenen sonnigen Wochenende auf Tennenbronner Wanderwegen unterwegs war, dürfte nur noch auf leere Wegkreuze gestoßen sein. Die Christus-Korpusse fanden sich alle zur großen Ausstellung des Tennenbronner Heimathauses im katholischen Pfarrsaal zusammen. Initiator Bernhard Fleig hatte als Restaurator viele davon in Händen und sich intensiv mit den handwerklichen und künstlerischen Details befasst. Wie stimmig hat der Schnitzer die Körper gestaltet und was wollte er ausdrücken? Leiden und Tod, oder neue Hoffnung? Sogar ein Lächeln auf einem Mund hat er entdeckt.
Zu den Werken der Herrgott-Schnitzer gesellte sich die zeitgenössische Kunst der Tennenbronnerin Ulrike Balkau. Sie formte eigens für die Ausstellung zehn „Betonköpfe“ mit verschiedenen Gesichtsausdrücken und Patinafarben. Sie alle trugen ein Weckglas mit kleinen Figuren und Gegenständen und stellten die Probleme unserer Zeit dar. Dementsprechend benannte Ulrike Balkau die Serie als „Skulpturen zum Aufwecken“.
Mit einem treffenden Vortrag schlug Pfarrer Harald Dörflinger am Sonntag-Nachmittag einen Bogen von den Kreuzkorpussen zu den „Aufweckern“ von Ulrike Balkau. In allen Epochen war das Kreuz ein Zeichen der Hoffnung auf Hilfe und auf neues Leben selbst nach tiefstem Elend und Tod. Mit der Geschichtsvergessenheit und der Gegenwarts-Gleichgültigkeit machte er weitere Probleme aus, welche die Zuversicht auf die Zukunft und ihre Gestaltung behindern. Der Arbeit des Heimathauses stellte er einen wertvollen Beitrag für die Allgemeinheit aus.
Mit einer Vernissage für geladene Gäste eröffnete Heimathaus-Vorstand Robert Hermann am Samstag, den 7. Oktober 2023 um 17 Uhr die Skulpturenausstellung im katholischen Pfarrsaal. Er konnte dabei zahlreiche Ehrengäste begrüßen, darunter Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr, die Vorsitzende des Museum- und Geschichtsvereins Schramberg Anette Fuchs und Stadtarchivar Carsten Kohlmann.
Die beiden Ideengeber und hauptamtlichen „Macher“ der Ausstellung stellten sich danach den Gästen selbst vor. Die berufliche Laufbahn vom Maler zum Liebhaber und Restaurator von alten Gegenständen und Gebäuden von Bernhard Fleig war den meisten Tennenbronnern hinreichend bekannt. Die inzwischen national und international anerkannten Skulpturen von Ulrike Balkau dagegen sind in ihrer Heimat Tennenbronn noch eher selten zu bewundern gewesen. Sie arbeitet dafür mit Beton und alten Gegenständen und steckt eine Menge von Gedanken und Ideen in ihre Werke.
Pfarrer Harald Dörflinger begrüßte die Gäste als Hausherr des katholischen Pfarrsaals. Er schilderte, wie sich seine Skepsis gegen eine solche Veranstaltung nach ersten Gesprächen schnell in Begeisterung wandelte. Mit einem gut besuchten Vortrag bereicherte er die Ausstellung am Sonntag selbst.
Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr stellte in ihrer Begrüßungsrede die vorangegangene Bescheidenheit der beiden Macher der Ausstellung fest. Selten habe sie eine so knappe Selbstdarstellung erlebt. Sie hielt sich daher auch nicht mit einer langen Rede auf, sondern mischte sich bei den anschließenden Führungen „unters Volk“ und fühlte sich dort noch Stunden sichtlich wohl. Nach der offiziellen Eröffnung war die Ausstellung für jedermann zugänglich.
In mehreren Führung erklärten Ulrike Balkau und Bernhard Fleig am Samstag und Sonntag ihre Exponate. In den „Weckgläsern“ verarbeitet fanden sich Probleme unserer Zeit wie Meinungsfreiheit, Krieg, Flucht und Migration, Frauenrechte, Gewalt und andere. Ein Flüchtlingsboot mit Miniaturfiguren überfüllt, Rettungsringe, Spielzeugpanzer, ein zertrümmertes Glas oder ein Schlüssel im Mund stellten die Situationen dar. Beim Vergleich der Christuskorpusse konnten die Veränderungen in verschiedenen Epochen und die Eigenheiten der jeweiligen Schnitzer festgestellt werden. Haltung, Brust, Finger, Augen, Dornenkrone und Nimbus waren Indizien dafür.
Die „Tennenbronner Skulpturennacht“ am Samstag wurde umrahmt mit Musikstücken für Posaune und Klavier von Silvan und Niklas Broghammer. Viele Helferinnen und Helfer trugen im Hintergrund zum Gelingen bei. Die Bewirtung am Sonntag übernahm das Team der katholischen Bücherei für ihre Zwecke. Bei freiem Eintritt werden Spenden den Kindergärten zugutekommen. Neben allen Akteuren und Helfern bei der Durchführung gilt ein ganz besonderer Dank von Bernhard Fleig und der HeimathausGruppe den Besitzern der Flur- und Hofkreuze, die ihre Figuren der besonderen Ausstellung zur Verfügung stellten.